echtLife 4 2020

Seite 42 | November 2020 | echt Life Ich gewinne an Boden und lasse mich inspirieren. Ich schmökere in Kochbüchern oder frage meine Erinnerungen ab. Ich nehme einen Stift zur Hand, notiere, was mich anspricht und stelle ein Menü zusammen. Ich suche mir notwendige Rezepte heraus und entlaste meinen Kopf. Ich muss nicht alles auswendig wissen. Eine Einkaufsliste entsteht, ich nehme mir Zeit, strukturiere und lese genau die Rezepte. Was kann ich vorbereiten, wieviel Zeit werde ich brauchen, kann mir jemand zur Hand gehen? Ich bin eine Perfektionistin, das weiß ich, aber ich habe dazuge- lernt. Ich streiche lächelnd ein paar ambitionierte Vorhaben von meiner Liste. Wie möchte ich anrichten, was brauche ich an Ge- schirr, Tellern, Platten? Mein inneres Bild vom Anfang, ich rufe es immer wieder ab, alles sortiert sich. Ich komme ins Tun. Ich kaufe ein, putze die Gemüse, putze das Fleisch zu, alles, was nicht benötigt wird verschwindet von der Arbeitsfläche. „Mise en place“ nennt das der Profi. Das Brutzeln, Rühren, Simmern, Köcheln beginnt und ist Musik in meinen Oh- ren. Gerüche füllen den Raum. Aufmerksamkeit und Konzentra- tion sind mir Entspannung.Timing? Ich klopfe mir auf die Schul- ter – ich bin gut in der Zeit, ich habe mir Platz gelassen. Ich habe etwas angestupst, die Feuergeister garen und geben mir Zeit den Tisch zu decken. Ich lass mich führen vom inneren Bild, wähle Teller, Servietten und Farben und dekoriere nach Lust, Laune und meinem persönlichen Geschmack. Was jetzt noch kommt? Bald wird es läuten an der Tür, erste Gespräche, entspanntes Trat- schen, ein Gläschen im Stehen, dann werden Alle Platz nehmen, rund um meinen einladenden Tisch. Noch einmal jetzt gebün- delte Konzentration, es geht ans Finish in der Küche, ich lass meiner Kreativität Raum beim Anrichten. Ich bringe zu Tisch, bin zufrieden, glücklich. Wohliges Gefühl im ganzen Raum. Alles halb so wild. Es beginnt mit einer Imagination. Ich stelle mir vor: ein schön gedeckter Tisch. Eine Anzahl lieber Menschen. Gespräch, Lachen, Wohlfühlatmosphäre. Kerzen vielleicht. Ein Gericht, passend zur Jahreszeit, herbstliche Farben, der Geruch von Wacholder, sanftes Licht. Ich gehe spazieren in diesem Bild. Wild Life Kaiserbraten vom Hirsch und herbstliche Beilagen Das Backrohr vorheizen auf 180°C. Ein ordentliches Stück vom Kaiserteil (man rechnet 200g Fleisch pro Person als Hauptspeise) mit Mehl bestauben. Das Fleisch in Butter und Pflanzenöl rundherum gut anbraten. Fleisch herausnehmen und im Bratensatz 1 große grob geschnitte- ne Zwiebel mit Schale, 1 Karotte, 1 Stück Sellerie und 1 Knoblauch- zehe zerdrückt anrösten. Mit einem Schuss Rotwein löschen, einkochen, den Saft von einem Glas eingelegter Kirschen angießen, nun auf die Hälfte reduzieren. Ein Gewürzsäckchen basteln mit je 5 Nelken, Pimentkörner, Wacholderbeeren, Pfefferkörner, 1 Lorbeerblatt, 1 Stückchen Mus- katnuss, getrocknete Orangenschale (im Rohr 10 Minuten). Das Fleisch zurück in den Bräter legen, das Gewürzsäckchen in die Sauce dazu hängen. Eventuell noch ein wenig Wildfond (wer hat) zugießen, sonst einfach Wasser. Das Fleisch sollte zu einem Drittel in der Flüssigkeit liegen. Deckel aufsetzen und 45 Minuten braten. Danach die Temperatur auf 130 °C reduzieren und nochmal 45 Minuten braten. Das Fleisch herausnehmen, in Alufolie wickeln, im ausgeschalte- ten Rohr ziehen lassen. Derweil die Sauce durch ein Sieb in einen kleinen Topf passieren, abschmecken, abrunden mit Thymian möglichst noch frisch, 1 EL Mehl oder Maizena einrühren, nochmal aufkochen und kurz vor dem Servieren 1 EL kalte Butter einrühren. Den Braten aufschneiden, die Sauce angießen, die Kirschen aus dem Glas darüber verteilen, zu Tisch bringen. Gisi Kurath

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