echtLife Juni 2021

Seite 46 | Juni 2021 | echt Life Morgendämmerung. Die Natur schläft. Die Sonne streckt hinter einer Waldlichtung am Horizont erst langsam ihre Fühler aus nach einem neuen Tag. Ein zarter Nebel- schleier liegt noch auf dem sonst ruhigen Wasser. Angenehm feuchte Luft dringt in die Nase. Der fragende Blick kreist um die unbekannte Finsternis unterhalb der Ober- fläche. Es heißt Beziehung aufzunehmen zu Element und Natur. Kein anderer stört die eigenen Kreise. Sich einfügen in die Umgebung, vorsichtige Tritte, unsichtbar werden für Augen und Sensoren der Teich- bewohner. Die Sinne sind geschärft, der Adrenalinspiegel noch im grünen Bereich, wird Ausrüstung und Strategie vorbereitet. Kein Plätschern, keine Luftblase entgeht dem kundigen Jäger. Vieles gilt es dabei zu bedenken. Den richtigen Standplatz, die Wahl von Gerätschaft und Köder. Ge- danken kreisen um bevorstehende Kämpfe mit der monofilen Schnur als einzige Ver- bindung zwischen Mensch und Fisch. In- zwischen erwacht auch die Natur in ihrer ganzen Pracht. Vögel singen sich ein, tieri- sches Rascheln im Unterholz und Libellen beginnen ihre Flugstunden. Schonhaken mit Köder bestückt, Schwimmerlänge nach Gefühl und Erfahrung eingestellt und mit elegantem Wurf am vermeintlichen Stand- platz präsentiert. Jetzt heißt es geduldig warten, währenddessen die Natur einen gänzlich und gnädig mit einem magischen Zauber assimiliert . . . Im Revier der Fische Angeln als entspannende Freizeitgestaltung in der Natur erfreut sich seit jeher großer Beliebtheit. Die vielfältigen Einschränkungen infolge der Pandemie bescheren den heimischen Fischereivereinen jetzt einen unerwartet großen Andrang. Über die Faszination des Angelns, ökologische Aspekte und die vielfältigen Möglichkeiten, die sich im Norden von Graz interessierten Petrijüngern bieten. So oder so ähnlich beginnen viele Tage im Revier und es ist jedes Mal ein einzigarti- ges Erlebnis, geprägt von Spannung und Entspannung, von umfassender Ruhe und einer wertschätzenden Demut, dieses kost- bare Idyll hier genießen und bis zur letzten Stunde auskosten zu können. Die Realität ist manchmal auch eine an- dere: So mancher Teich erinnert im Som- mer anhand der Dichte an passionierten „Sportanglern“ eher an einen hochsom- merlichen Ferientag am Strand von Caorle und im belagerten Gewässer scheinen sich mehr gemästete Karpfen zu tummeln als Wassermoleküle. Selfies mit Fisch, je grö- ßer desto besser, und bierdosen- und rest- müllgeschmückte „Arbeitsplätze“ geben ei- nem wenig schmeichelnden Klischee noch kalorienreiche Nahrung. Angeln & ökologische Verantwortung Die überwiegende Mehrheit der Fischer und Funktionäre der Angelvereine jedoch fühlt sich all den hehren Ansprüchen eben- so verpflichtet, die auch die Jagd zu Lande für sich beansprucht und übernimmt dabei eine wichtige ökologische Verantwortung. Natur und Tier respektvoll zu begegnen ist eine der Grundsätze, die Jung und Alt über das Angeln vermittelt werden soll. Dies geht in der kollektiven Wahrnehmung manchmal leider oft unter. Mitglieder der Angelvereine sehen sich u.a. auch als Na- turschützer, haben keine einflussreiche, eli- täre Lobby wie vielleicht die Jäger zu Land und deshalb ist es steter Kampf oft auch ge- gen politische Windmühlen. Wie etwa die heiß geführten Diskussionen um Fischot- ter, Reiher und Kormoran, die massiven Einschnitte in die natürlichen Flussläufe aufgrund neuer Kraftwerke oder den Ein- fluss der Landwirtschaft auf die umliegen- den Gewässer. Ist es möglich, seriös und unter ökologischen wie ethischen Gesichts- punkten darüber zu diskutieren, ob ein Fi- schotter eine höhere Daseinsberechtigung hat als etwa 100 Huchen oder Äschen? Da- bei ist die Diversität in Flüssen und Bächen bereits massiv bedroht. Manche in Öster- reich heimischen Saiblingsarten waren bereits beinahe ausgestorben. Aufwendige Zucht- und Ansiedelungsprogramme wer- den etwa in Tirol oder Salzburg seit Jahren erfolgreich umgesetzt. Robert Thüringer, Obmann des größten Fischereivereins des Landes, dem Arbeiter- fischereiverein, sieht auch den steirischen Fischbestand in Fließ- und Teichgewässern stark unter Druck: „In natürlichen Gewäs- sern haben sich die Populationen trotz um- fassender Besatzmaßnahmen in den letzten 40 Jahren um bis zu 80-90% verringert. In vielen kleinen Fließgewässern, bei uns im Norden von Graz etwa dem Schirning- bach, Rötzbach oder Stübingbach, ging der Fischbestand kontinuierlich zurück.

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