echtLife Juni 2021
Seite 48 | Juni 2021 | echt Life Artenvielfalt: Challenge für alle! Es gibt Lebewesen die wir mögen und solche, die wir eher nicht mögen. Zu den ersteren gehören etwa Vögel oder Blumen, zu den zweiteren Insekten und Unkraut. Die Natur sieht das freilich anders: Schmetterlinge gibt es nicht ohne Raupen und auch Unkraut ist Nahrungsquelle für Vögel, Insekten & Co. Initiativen zur Bewusstseinsbildung rund um Artenvielfalt gibt es viele, es wird aber dringend Zeit, vom Reden ins Handeln zu kommen. Ende März nahmen Graz und Graz Um- gebung erstmals als einer von 419 Teilneh- mern an der „City Nature Challenge“ statt: 585 „Bestimmer“ und „225 Beobachter“ sammelten vier Tage lang via Handy-Fo- to und App Bilder von allem Lebendigen, das ihnen vor die Linse kam. Mit 17.178 Beobachten konnten 2.510 verschiedene Arten von der Flechte bis zum Säugetier registriert werden. Damit liegen Graz und Graz Umgebung bei der gemeldeten Zahl an Beobachtungen und Arten an erster Stelle in Europa. Wer daraus schließt, dass mit unserer Natur alles in Ordnung wäre, irrt: Wir sind nur gut im Zählen und Beob- achten, müssten aber dringend ins Handeln kommen. Denn die Steiermark ist österrei- chischer Rekordhalter in der Bodenversie- gelung, die Zahl an Vögeln sinkt merklich, auch weil die Biomasse der Insekten um 75% zurückgegangen ist. Damit wird die Hauptfutterquelle für Vögel und Fleder- mäuse drastisch weniger, was sich wieder- um auf die Bestäubung von Blütenpflanzen auswirkt. Organisationen wie der Naturschutzbund, Experten aus den unterschiedlichsten Seg- menten der Biologie, längst auch die Politik (allen voran die Grünen), chronisch unter- besetzte Fachabteilungen der Verwaltung vom Land bis hinauf in die EU wissen, dass wir alle hier an einem Ast sägen, auf dem wir selbst sitzen. Doch der Weg von poli- tischen Lippenbekenntnissen zu Taten ist weit: Alle fordern mehr Maßnahmen, viel zu wenige Bürgerinnen und Bürger sind bereit, sie auch mitzutragen: Einfacher ist es wohl, die Schuld auf die Politik, die Bau- lobby oder die Landwirtschaft zu schieben. Neues Naturbewusstsein Wir alle brauchen einen Zugang zur Natur, der auf möglichst vielen Berührungspunk- ten aufbauen sollte. Denn wir verlieren zu- nehmend den Kontakt zu ihr, empfinden Natur nur noch dort als angenehm, wo sie beinahe tot ist: glasklare Pools statt trübe Naturteiche, Thujen-Sichtschutz statt He- ckenvielfalt, totholzbefreite Baumgruppen und Sträucher, Golfrasen statt Feuchtwie- sen, Trockenrasen, Hutweiden, Glattha- ferwiesen, Moore, Almflächen, Tümpel, Weiher, Fließgewässer, Mischwälder und Almen: Bei wie vielen dieser Begriffe wis- sen wir eigentlich noch, wie das aussieht? „Die anderen sind schuld“ Wir beschweren uns über die Folgen der intensiven Landwirtschaft und geben den Bauern die Schuld am Artensterben, wer- fen aber zugleich in Österreich jährlich rund eine Million Tonnen an Lebensmit- teln in den Müll, die nur durch intensive Landwirtschaft produziert werden konn- ten. Wir beschweren uns über die Bau- wirtschaft, wollen aber am Stadtrand im Grünen wohnen und in großen Zentren einkaufen. Wir bestellen online und lassen so immer neue Logistikflächen auf ehemals grünen Wiesen entstehen. Nein, die Natur findet ihren Platz in unserem Leben nur noch in TV-Dokumentationen, denn da kann sie nicht miefen, stechen, kratzen und Allergien auslösen. Vielfältige, Initiativen: klein aber oho Auf Gemeindeebene für den Naturschutz Fotos: A. Braunendal Andreas Braunendal
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