Seite 60 | November 2017 |
echt L i fe
Kein Zickenalarm –
nur der Lack war ab
Sie sind jung, hübsch und in ihren gelben Trainingsanzügen salonfähig. Statt Lidschatten und Lippenstift nehmen sie einen
normalen Fußball und kicken. Der Damenfußball ist in Gratwein-Straßengel angekommen. Ein etwas anderer Spielbericht.
Unserem Damen National-Team
sei Dank: Als EM-Dritte haben
sie Österreichs Fußball-Stolz ge-
rettet. Und auch die Ladies-Ab-
teilung
des
Oberliga-Teams
von Sportchef Thomas Wöls
belebt: „Acht Spielerinnen sind
im Sog der neuen weiblichen
Fußball-Popularität zu uns ge-
stoßen“. Somit hat der SV Grat-
wein-Straßengel mit nunmehr
34 Spielerinnen den drittgrößten
Damen-Kader in der Steiermark
nach den Grazer Bundesligisten
Sturm und LUV.
Nagellack
für Optimismus
„Gemma Andrea, Querpass Ker-
stin…“. Die rund 100 Stamm-
Fans auf der Tribüne machen den
Mädels Feuer. „Bei hohen An-
griffsbällen der Gegnerinnen in
den Strafraum doppelt absichern,
beim Konter links aufrücken…“
Wie bei den Profis erklärt der
Damen-Dompteur, sprich: Trai-
ner Christopher Paller, an der
Tafel die Spielzüge. Eine aus der
Startelf faltet die Hände. Die per-
fekt rot lackierten Fingernägel
signalisieren Optimismus. Denn,
so Sportchef Wöls: „In der ersten
Rückrunde braucht´s neben Feld-
überlegenheit auch Ergebnisse“.
„Klar“, sagt Kapitänin Kerstin
Pfleger, die 21-jährige Peggaue-
rin, die mit zwölf Jahren daheim
schon in der Bubenmannschaft
Jugendmeisterschaft spielte. „Das
Klima passt im Team, Zicken-
alarm ist auszuschließen“. Das
4-2-3-1 Grundsystem haben sie
intus, wenn auch, vom Gegner
abhängig, variierbar, sagt der
Trainer. „Jetzt müssen die Tore
und Punkte her, die uns bisher
fehlten“. Na dann, los geht´s!
Haken, Heber, Tor!
Der Start in Runde zwei fiel fast
ins Wasser. Strömender Regen,
Pfützen an den Seitenlinien und
der Gegner hieß Thal, 4. in der
Tabelle. Das Teamfoto in grünen
Match-Dressen statt der gelben
Trainingsanzüge – und imRegen.
Reklamation des Mädels mit dem
wallenden Haar: „Bitte schnell,
sonst werd` ma nass…“. Danach
liefen sie 90 Minuten – durch
den unaufhörlichen Regen. Wille
und Leidenschaft der Girls waren
groß, nur der Ball war oft durch
dort stehende Lachen gehindert,
das fußballerische Verständnis
zu entfalten.
Ach ja, Tore müssen her, sag-
te Kerstin. Die Matchuhr zeigte
Minute fünf. Die Thaler Damen
stürmten über links, die „Dop-
pelzange“ der Heimischen blieb
im tiefen Boden stecken, der
Rückpass zur Torfrau misslang,
die freilaufende Dame in blau
schlug zu – 0:1. Ein Weckruf. An-
kick Gratwein, Mittelfeldgeplän-
kel, Rückpass. Minute neun: Wei-
ter Ausschuss der Torfrau auf den
rechten Flügel zur Nummer 9 –
erster Haken, 10 Meter-Sprint,
zweiter Haken, weiter entlang
der Linie, dritter Haken nach in-
nen, gefühlvoller Heber über die
Thal-Torfrau – 1:1 durch Andrea
Flitsch. Das war´s auch schon für
die restlichen 82 Minuten.
Wo sind Sponsoren?
Männersport Fußball, ausge-
übt von beherzten Damen zwi-
schen 14 und 30 Jahren in einem
Team. Sie trainieren zwei Mal die
Woche je zwei Stunden. „Die
Mädels sind oft härter, als die
Boys“, weiß Thomas Wöls. „Nur
Geballte Damenkraft,
die bald schon größere
Erfolge schafft:
SV Straßengel-Gratwein
Wie im Profibetrieb: Trainer Christopher Paller (li) erklärt
an der Tafel die Spiel-Strategie
Kapitänin Kerstin Pfleger: „Die Stimmung passt,
Zickenalarm ist auszuschließen“
Sportchef Thomas Wöls: „Bin stolz,
den drittgrößten Kader in der
Steiermark zu haben“
Erich
Cagran