Seite 56 | November 2017 |
echt L i fe
Diese Geschichte ist beein-
druckend, sie ist rührend, wie
gleichzeitig geprägt von außer-
gewöhnlicher sozialer Leistung,
getragen von sehr starken Cha-
rakteren. Ein Ehepaar aus, sagen
wir Graz-Gösting, hat zwei Säug-
linge in Kambodscha adoptiert,
nach Österreich gebracht, seit
mehr als 10 Jahren großgezogen.
Ihr steirischer Dialekt lässt keine
Vermutung auf ihre Herkunft zu.
Die einstigen Findelkinder sind
voll integrierte Österreicher. Auf
persönlichen Wunsch aller und
„zum Schutz der Kinder“ wollen
deren richtigen Namen nicht zu
nennen; sie sind jedoch der Re-
daktion bekannt.
Wie alles begann ...
Robert (11) - so nennen wir hier
den Jüngeren, Martin den zwei
Jahre älteren der beiden – sehen
wir auf einem Sportplatz einer
GU-Gemeinde unseres Verbrei-
tungsgebietes. Der quirlige Bub
trainiert mit Sportsfreunden auf
gleichem Leistungsniveau, wenn
nicht sogar darüber. Er wird mit
seinem Namen gerufen, densel-
ben, wie zwei andere Buben der
Gruppe auch. Seine Hautfarbe ist
ein wenig dunkler, sonst merkt
man keinen Unterschied – so
heimisch/steirisch sein Dialekt.
Echte Steierbuam ...
„Wenn man adoptiert, muss man stark sein“.
Der Vater zweier Findelkinder aus Kambodscha ist stolz auf seine Buben.
Im Reisfeld weggelegt, ins Waisenhaus gekommen, von einem Ehepaar hergeholt, zu Steirerbuam gemacht.
Wie ein Weihnachts-Märchen – nur real!
Und hätte uns die Trainings-Lei-
terin nicht einen zarten Hinweis
geliefert – nie hätten wir Roberts
Geschichte erfahren.
Diese Geschichte ist mindestens
genauso beeindruckend, wie des
Vaters Leistung gemeinsam mit
seiner Gattin, der sie uns schließ-
lich ausführlich erzählte. Nach
dem Versprechen, das wir gaben,
die richtigen Namen der Kinder
zum Schutz auch der Familie zu
verbergen. Alles begann mit dem
Kinderwunsch der nicht mehr
ganz jungen Eheleute. Um selbst
keine Risiken einzugehen, ent-
schlossen sie sich, Kinder zu ad-
optieren. Die Entscheidung zu-
gunsten fremdländischer Kinder
fiel bei einer Reise nach Nepal,
wo sie ein Findelkind in einem
Heim vorfanden. Sie spielten mit
ihm, mussten es aber kurzfristig
zurücklassen. Als sie zurückka-
men, war das Kind weg. Die Wir-
ren des aufgeflammten Bürger-
krieges hatten das vermeintliche
Kindesglück zerstört.
Können Kinder nicht ernähren
Zurück blieb den Eheleuten die
Sicht der Not und des Elends
dieser Kinder in Südost-Asien.
Sie stellten Folge-Recherchen an
und wurden bei einem österrei-
chischen Verein namens „Family
for you“ fündig. Ein Waisenhaus
in Phnom Penh, der Haupt-
stadt Kambodschas, war dort als
Zieladresse für Adoptionskinder
bekannt. Um ihr Ziel, von dort
ein Kind zu adoptieren zu errei-
chen, galt es erst einmal hierzu-
lande die nötigen bürokratischen
Hürden und Voraussetzungen
beim Jugendamt zu erbringen.
Pflegeeltern-Kurse, Bonitätsprü-
fung etc. inklusive.
2005 war es soweit: Mithilfe des
genannten Vereines mit guter Ba-
sisorganisation und den nötigen
Visa etc. flog das Ehepaar nach
Phnom Penh. Im dortigen Wai-
senhaus bekamen die Eheleute
einen Kindervorschlag: Bub, 14
Monate alt, von den Eltern weg-
gelegt vor einer Polizeistation
gefunden. Der heutige Vater, wir
nennen ihn Alfred: „Die Men-
schen dort sind so arm, dass sie
ihre Kinder nicht ernähren kön-
nen. Das machte uns natürlich
Sorgen bezüglich des Gesund-
heitszustandes der Buben“.
Kosten sind enorm: wie
ein neues Mittelklasse-Auto
Die Freude des Ehepaares, ein
Kind in Händen zu halten, das
bald ihres sein könnte, überwog
das Risiko. Das Ehepaar zahlte
die Kosten im Waisenhaus und
flogen mit dem ersehnten neuen
Familienglück heim. Die einige
Tage dauernde Formalitäten vor
dem Heimflug, inklusive Hin-
und Herflug nach Thailand für
den Reisepass durch die öster-
reichische Botschaft seien hier
weggelassen. Die Kosten für
Visa, Hotels, Flüge und das Wai-
senhaus: „Ähnlich einem neun
Mittelklasse-Auto“.
Martin war in der Steiermark
angekommen. „Erstes Kriterium
war die Arztsuche. Die Unterer-
nährung hatte Spuren hinterlas-
sen. Martin war oftmals in der
Klinik. Wir hatten alle Angst, alle
Sorgen, dass eine Behinderung
zurückbleibt ... es ist aber alles
gut gegangen.
Findelkind im Reisfeld
Wie ging es dem Vater in all
diesen Wochen und Monaten?
„Wie´s jeden Vater geht, teilwei-
se überfordert freilich. Man freut
sich aber, erlebt alles bewusster,
denn es macht schon einen Un-
terschied, ob man mit 20 oder
40 Jahren ein Kind bekommt“.
Die Freude über Klein-Martin
war so groß, dass die Eheleute
kurzerhand beschlossen: Mar-
Kinder in Kambodscha leben ohne Zukunft ... Robert und Martin haben
’
s als Steirer besser
„
Die Adoptionen sind unser
Beitrag, den Kindern, die
dort ohne Zukunft geboren
werden, aktiv zu begegnen
“
Der Kindes-Vater
Erich
Cagran